Das 19. Jahrhundert


Walzer

Das 19. Jahrhundert tanzt im Dreivierteltakt! Der Walzer hält seinen Siegeszug durch ganz Europa und durch sämtliche Gesellschaftsklassen. Die gefälligen und schwungvollen Melodien des Walzerkönigs Johann Strauss, Sohn (1825 -1899) lassen kein Bein unbewegt.

 

Anfangs als unschicklich verpönt, weil sich beim Walzer Mann und Frau dicht gegenüber stehen und umfassen, löst er dennoch das höfische Menuett mit seinen komplizierten Schrittfolgen und strengen Formationen ab. Seit dem Wiener Kongress (1814/15) gilt er als gesellschaftsfähig.

 

Erstmals gibt es eine Vielzahl frei tanzender Paare auf dem Parkett. Die Betonung liegt nunmehr im individuellen Ausdruck. Dies zeigt deutlich das neue Lebensgefühl der Menschen sowie deren Wunsch, sich von den vom Klerus und Adel vorgegebenen Konventionen zu lösen. Insofern kann der Walzer als revolutionärer Tanz angesehen werden. Sowohl in den Palästen als auch in den Straßencafes wird er getanzt - und auf Gemälden wie unten verewigt.

Der Walzer (walzen = sich drehen) hat sich aus volkstümlichen Tänzen wie dem Ländler und dem Deutschen entwickelt. In der Operette, die in der zweiten Hälfte des 19. Jh. populär wird, darf er auf keinen Fall mehr fehlen.

 

So manche mit einem Text versehene Melodie gerät zum Gassenhauer. Der berühmte Johann Strauss-Walzer An der schönen blauen Donau wird auf der Pariser Weltausstellung 1867 von Erfolg gekrönt und daraufhin weltberühmt. Seine Entstehungsgeschichte ist so interessant, dass dazu etliche Forschungen und ebenso viele Meinungen existieren. Der uns bekannte Text Donau so blau, so schön und blau wurde aber erst 1890 uraufgeführt. Bis dahin hatte der bekannte Walzer bereits etliche Textfassungen unterschiedler Couleur durchlaufen.

 

Unerwähnt bleiben soll nicht , dass neben Johann Strauss Vater und Sohn auch andere Komponisten jener Zeit wunderschöne Walzermelodien schufen wie beispielsweise Josef Lanner oder Peter Tschaikowski sowie die Operettenkomponisten Carl Millöcker, Franz Lehar, Jacques Offenbach und viele mehr.

 

Mode

Der Begründer der Haute Couture ist überraschenderweise kein Franzose, sondern der Engländer Charles Frederick Worth (1826-1895). Er eröffnet 1858 in Paris seinen Salon „Worth et Bobergh“.

 

Das Besondere: Statt sich den Wünschen reicher Kundinnen zu beugen, ist seine Mode von eigenen Ideen bestimmt. Er ist der Erste, der Mode selbst kreiert und diese an lebendigen Modellen, statt an Schneiderpuppen, vorführen lässt.

 

In den Sechzigern des 19. Jhs. macht er die Krinoline - einen durch Fischbeinstäbchen zur Glockenform gebauschten Unterrock - zur Weltmode, in den Siebzigern dann die Tournüre - ein Polster, meist aus Rosshaar, zur Betonung des Steißes.

 

Zu seinen prominentesten Kundinnen gehören Englands Königin Victoria und Kaiserin Elisabeth (Sisi) von Österreich-Ungarn. Die Dame in Blau trägt bereits ein Tournürenkleid.

Schon im 19. Jahrhundert gibt es Modejournale, aus denen die Damen der Gesellschaft die neuesten Trends erfahren - auch für Puppenmütter. Diese enthalten oftmals Schnittbögen und Strickanleitungen, damit die Mädchen die abgebildeten Puppenkleider nachfertigen können. Die Kleidung für die Puppendame fällt kaum anders aus als diejenige für die kleine oder große Dame. In der gehobenen Gesellschaft statten so manche Hausschneider nicht nur Mutter und Tochter, sondern auch die Puppe mit der neuesten Mode aus.

 

Mit der fortschreitenden Industrialisierung und technischen Entwicklung wird mehr und mehr Konfektionsware hergestellt, serienmäßig in Fabriken angefertigte Kleidungsstücke - im Gegensatz zur Maßanfertigung. Doch auch diese kann sich nicht jeder leisten.

 

In der ärmeren Bevölkerung wird Kleidung selbst geschneidert. Näherinnen gibt es mehr als genug. Mädchen aus jeglicher Gesellschaftsschicht werden früh zur Nadelarbeit angehalten. Innerhalb der Familie und Generationen wird die Garderobe weitergereicht, abgeändert und aufbereitet. Mit einem Rüschenkragen, einer Satinschleife, Bordüre oder gar einem Spitzenbesatz wird aus einem alten Kleid ein neues gezaubert.

 

Die ersten Nähmaschinen wurden übrigens schon Anfang des 19. Jh. entwickelt. Aber erst ab 1851 kommen fabrikmäßig hergestellte Modelle auf den Markt - allen voran von der US-Firma I. M. Singer & Co.

 

Kindheit

Trotz der pädagogischen Lehren Rousseaus (1717-1778), Pestalozzis (1746-1827) und Fröbels (1782-1852) ist im 19. Jh. der Begriff Kindheit noch nicht im heutigen Sinne geprägt. Kinder sind lediglich kleine Menschen, die auf das Leben der großen Menschen vorbereitet werden. Daher gehören zum traditionellen Spielzeug eines Jungen Steckenpferd und Zinnsoldaten, für Mädchen gibt es Puppen - bei den Bessersituierten auch ein Puppenhaus. Dieses enthält ebenso kunstvoll gearbeitetes Mobiliar wie ein richtigen Haus und ist daher nur mit äußerster Vorsicht und Sorgfalt bespielbar – Eigenschaften, die durchaus erwünschenswert sind.

 

Ansonsten unterscheidet sich das Leben von Kindern nicht allzu sehr von dem der Erwachsenen. Die Kleinen haben sich in die Welt der Großen einzufügen.

 

Kinder armer Leute werden so früh wie möglich zur Arbeit angehalten: Mädchen zur Hausarbeit; Jungs werden nicht selten schon in sehr jungen Jahren zur Arbeit außer Haus geschickt. Man denke an die sogenannten Grubenkinder in England, die aufgrund ihrer schmächtigen Gestalt sich bestens für die engen Stollen der Kohlebergwerke eigneten.

 

Die Erziehung der Kinder reicher Leute liegt in den Händen von Gouvernanten, die in erster Linie darauf zu achten haben, dass die Kinder nicht lärmen oder sich schmutzig machen. Der gepflegte Spaziergang im Park ersetzt Herumtollen im Freien.

Spiele

Während sich die Gesellschaftsspiele im 18. Jh. nicht von denen der Kinder unterscheiden, gibt es im 19. Jh. immerhin schon einen pädagogischen Ansatz. In Spielratgebern für junge Mütter werden Glücksspiele jeglicher Art verworfen, gesittete Spiele wie Schach oder Bridge hingegen empfohlen. Pfänderspiele erlauben die Grenzen des Anstandes in einem kontrollierten Maße zu überschreiten und sind daher besonders bei jungen Erwachsenen sehr beliebt. Doch dem kindlichen Spiel sind deutliche Grenzen gesetzt. In einem deutschen Familienratgeber von 1856 gilt das Verbot des Steckenpferdspieles für Mädchen, weil es sie dazu verleite, "einen bestimmten Körperteil in schädlichem Maße zu reizen.“

Papiertheater aus einem Nürnberger Spielzeug-Musterbuch des 19. Jhs. - Quelle: Wikipedia
Papiertheater aus einem Nürnberger Spielzeug-Musterbuch des 19. Jahrhunderts

Durch die technische Weiterentwicklung optischer Gerätschaften werden Guckkästen, Dioramen-Ausstellungen und Tisch-Stereo-Betrachter populär. An Perspektivtheatern erfreuen sich Alt und Jung. Kinder sind von Kaleidoskopen, Farbkreiseln und Wunderscheiben fasziniert, ebenso von Traumatopen (Drehscheiben) und Daumenkinos - also allem, was eine optische Illusion hervorruft.

 

>>Das PAPIERTHEATER bot Theaterbegeisterten die Möglichkeit, das auf der großen Theaterbühne Gesehene im privaten Rahmen nachzustellen. Ursprünglich eine Liebhaberei für Erwachsene, wandelte sich diese Kunstform ab 1850 zum pädagogisch wertvollen „Kindertheater“. Die weit verbreiteten lithographischen Vorlagenbögen erreichten hohe Auflagen und prägten die Vorstellungswelt mehrerer Kindergenerationen.<<

[Auszug aus der Internetseite des Altonaer Museums, Hamburg]

 

Wer sich für optisches Spielzeug interessiert, dem sei die Dauerausstellung

Optische Wunderkammer – Vom Papiertheater über die Laterna Magica bis zum Videoclip

im Altonaer Museum in Hamburg empfohlen.

 

Ferdinand du Puigaudeau (1864-1930) Schattenspiel: The Rabbit / Quelle: Wikimedia Commons
Ferdinand du Puigaudeau (1864-1930) Schattenspiel

>>Die LATERNA MAGICA führte im 19. Jh. die Tradition des Schattenspieles fort und bildete den direkten Vorläufer des Dia- und des Kinoprojektors. Mit farbenprächtigen Bildern, Tricks, Musik und spektakulären Effekten begeisterten die Projektions-künstler ihre Zuschauer. Stärker noch als beim Papiertheater wurde ein breites Themenspektrum bedient und das Publikum in einem Gemeinschaftserlebnis in ferne, kuriose und lehrreiche Bildwelten entführt.<<

[Auszug: Website des Altonaer Museums]

 

Laterna Magica-Vorführung /Quelle: Wikimedia Commons
Laterna Magica-Vorführung

MONTAGESPIELE – die Vorläufer der Puzzles – kamen in Mode, bei denen Farblithographien auf Holzsegmente aufgetragen wurden.

 

VERWANDLUNGSBILDERBÜCHER, drei-dimensional – heute kennt man sie als

Pop-Up-Bilderbuch – zum Aufstellen, Auseinanderklappen, Drehen, Ziehen, und Stecken waren der Renner.